Leichtbauexperten treffen sich bei der MariLight.Net-Auftaktveranstaltung

Am 5. und 6. März 2019 lud das Center of Maritime Technologies e. V. zur offiziellen Eröffnung des deutschen maritimen Leichtbaunetzwerks MariLight.Net nach Bremen ein. Werften, kleine und mittelständische Unternehmen, Forschungsorganisationen sowie weitere Beteiligte aus ganz Deutschland und in verschiedenen Branchen tätig, zeigten ihr reges Interesse. Mit der Anmeldung von mehr als 120 Teilnehmern war die Veranstaltung bereits zwei Wochen vorher ausgebucht. Der Aufbau des Netzwerks wurde dank der neunmonatigen Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung realisiert, die mit der Auftaktveranstaltung endete.

Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft trafen sich beim ersten Netzwerktreffen als Partner, um ihr technologie- und branchenübergreifendes Wissen zum Leichtbau zu teilen. Viel Raum zum Austausch, Nachfragen und Knüpfen neuer Kontakte war geboten. Bei allgemeinen Diskussionsrunden konnte das Publikum Fragen stellen und direkten, persönlichen Kontakt herstellen.

Die Veranstaltung startete am Dienstag, den 5. März um 10 Uhr mit der Begrüßung durch Thomas Ketelhohn, Geschäftsführer vom Center of Maritime Technologies. Als Moderator führte Markus Lehne, Geschäftsführer bei BALance Technology Consulting und Experte in den Bereichen maritime Industrie sowie Forschung und Entwicklung, durch das Programm. Er stellte die Referenten vor, leitete zu ihren Präsentationen hin und trug mit seiner Fachkompetenz zu einer lebhaften Diskussion bei.

Als Repräsentant der Politik richtete Werner Loscheider, Leiter des Referats „Bauwirtschaft, Leichtbau/Neue Werkstoffe und Ressourceneffizienz“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), sein Grußwort an das Publikum und gab einen strategischen Ausblick auf die Schlüsseltechnologie Leichtbau. Er betonte, dass gewichteinsparende Konstruktionen zur Stärkung und Modernisierung des Industriestandortes Deutschland beitrage und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhe. Das BMWi richtete zur Unterstützung des technologieübergreifenden Wissenstransfer die Initiative Leichtbau ein, die unter anderem als zentrale Anlaufstelle für Fragen dient, praktische Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Politik erarbeitet und Kooperationen initiiert.

Über weitere Leichtbauprojekte und maritime Fördermöglichkeiten informierte Dr. Andreas Nitz aus dem Fachbereich maritime Technologien des Forschungszentrum Jülich. Wolfgang Franzelius, Director Shipbuilding & Deck Equipment Division bei Fassmer, fragte in der anschließenden Keynote „Ein Leichtbaunetzwerk im Schiffbau: Warum erst jetzt?“ und beleuchtete die Vor- und Nachteile des Leichtbaus, Blockaden in der Entwicklung und die Aussichten für die Zukunft.

Insgesamt zwölf Vorträge informierten die Teilnehmer über allgemeine Herausforderungen und individuelle Lösungsansätze aus dem Leichtbau. Im ersten Themenblock wurde der Schwerpunkt „Faserverbundstrukturen – Herstellung und Brandschutz“ behandelt. Daniel Fernández, Entwicklungsleiter bei Composyst, stellte das Herstellungsverfahren „Vacuum Assisted Process“ für faserverstärkte Kunststoffbauteile mittels Vakuumtechnologie vor und veranschaulichte die Vorteile, die in der Herstellung durch das Verfahren entstehen. In dem Workshop „VAP – Infusion mit patentiertem System“ wurde den Besuchern anschließend der Prozess vorgeführt. Jörg Bünker von SAERTEX präsentierte den strukturellen Komposit der Serie SAERTEX LEO mit integriertem Brandschutz für die maritime Anwendung. David Thull von FISCO stellte den nicht brennbaren GFK-Werkstoff fi:resist vor, der zudem im Brandraum zum Testen ausgestellt war.

Ergänzende Vorträge von Sprechern aus der branchenfremden Textilindustrie zeigten Leichtbaulösungen aus einer neuen Perspektive. Vanessa Blaß stellte die Allianz Faserbasierte Werkstoffe Baden-Württemberg e.V. vor, ein landesweites, branchenübergreifendes Technologie-Netzwerk, das die gesamte Wertschöpfungskette von faserbasierten Materialien vereint. Sie erklärte, warum Fasern wie geschaffen sind zur Gewichtsreduzierung und wie diese im Automobilsektor bereits genutzt werden. Dirk Schulze, Essedea, und Michael Walz, Eschler Textil, präsentierten eine textile Leichtbaulösung, entwickelt in Gemeinschaftsarbeit mit weiteren Partnern im Kompetenzzentrum Abstandstextilien im Zollernalbkreis. Das innovative Wandsystem besteht aus Gewirken und Gestricken und bietet neuartige funktionale Gestaltungsmöglichkeiten im Inneren von Schiffen und damit eine Basis für individuelle Komplettsysteme in Leichtbau. Das Produkt ist ein gelungenes Beispiel einer Kooperation entlang der textilen Wertschöpfungskette.

Im zweiten Vortragsblock „Optimierung von Strukturen“ behandelten die Referenten die Themen Strukturleichtbau, Topologieoptimierung, sowie smartSHM (Structural Health Monitoring) und die daraus entstehende Forderung aus der Praxis nach einem ganzheitlichen Design. Über praktische Erfahrungen referierten Wolfgang Hirsch, TGM Lightweight Solutions, und Axel Reinsch, ar engineers, in ihren Präsentationen zum Fahrzeugbau und zur Entstehung einer Rennjolle. Unter Einsatz der Leistungskraft freiwilliger Versuchsteilnehmer demonstrierte Alexander Brunner, Entwicklungsingenieur bei BOGE Elastmetall, die Vorteile einer Konstruktion, die sich an unterschiedliche Belastungen anpassen kann. Andreas Preisler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Strukturmechanik und Leichtbau der RWTH Aachen, erklärte, wie smartes Structural Health Monitoring interdisziplinär das volle Leichtbaupotential freisetzt und veranschaulichte die Überwachung der Struktur beispielhaft an einer geflochtenen GFK-Welle.

Im dritten Block „Umsetzung und Praxis“ stellte Johannes Werner, DNV GL, Projekte mit angewandten Kompositen im Schiffbau vor. Dr.-Ing. Nikolai Glück von Fraunhofer IGP präsentierte die Entwicklung einer integralen Leichtbaudecksektion aus Compositewerkstoffen für Binnenfahrgastschiffe von der Simulation über die Fertigung und Prüfung bis zur Bewertung der Ergebnisse. In seinem Beitrag „Leichtbau aus der Praxis“ zeigte Christian Schmoll von TAMSEN MARITIM Beispiele, führte praktische Anwendungsfälle aus der Werft auf und veranschaulichte das Lernpotential aus anderen Branchen für die maritime Industrie.

Zum Abschluss der Vorträge hielt Karsten Fach in der Funktion als Netzwerk-Lotse ein Plädoyer für den Leichtbau, indem er auf den bereits erzielten Erfolg und die weiteren nötigen Schritte für die Zukunft hinwies.

Abgerundet wurden die Vorträge durch eine Podiumsdiskussion mit Werner Loscheider, Karsten Fach, Johannes Werner, Dr. Jonas Wagner vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik und Prof. Dr. Eberhard Sauter vom Alfred-Wegener-Institut. Die Teilnehmer vertraten verschiedene Interessen bei der Debatte über weitere Schritte zur Förderung des Leichtbaus. Abschließend führten im Ausstellungsraum Workshops und Demonstratoren Anwendungen und Möglichkeiten live vor. Dort bildeten Fraunhofer IFAM und Sika einen Klebprozess nach, während S.M.I.L.E. FEM den 3D-Druck kleiner Boote mit einem transportablen Drucker demonstrierte. An den Infoständen berieten unter anderem das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Bremen zur Digitalisierung, die Förderberatung „Forschung und Innovation des Bundes“ zur Förderung von Vorhaben und Fraunhofer IFAM über neue Weiterbildungen im FVK-Bereich und zu Leichtbauwerkstoffen.

Nach Tradition der maritimen Branche wurde MariLight.Net bei dem feierlichen Ritual einer Netzwerktaufe mit einer Sektflasche symbolisch eröffnet. Das nächste Netzwerktreffen wird für Anfang 2020 geplant. Daneben sollen weitere Arbeitskreise ähnlich wie „Kleben im Schiffbau“ (KIS) entstehen, die Experten zu Themen wie Brandschutz oder Engineering im Leichtbau zusammenbringen.

Am 6. März 2019 folgte die öffentliche Fachtagung der Arbeitsgruppe KIS mit einer Begrüßung durch Dr.-Ing. Nikolai Glück, Gruppenleiter Klebtechnik, Faserverbundtechnik und Korrosionsschutz beim Fraunhofer IGP. Die Referenten der KIS-Gruppe Linda Fröck (Fraunhofer IGP), Benjamin Blumentritt (Fraunhofer IGP), Oliver Klapp (Fraunhofer IFAM) und Markus Hill (Ingenieur- und Consultingunternehmen DMT) stellten fachgruppenrelevante Themen vor, darunter die Berechnung von geklebten Standardverbindungen im Schiffbau, Prozesssicheres Kleben von Halterungen unter Wasser, Standardisierung hochelastischer Klebeverbindungen sowie Zulassung von Klebstoffen für die Anwendungen im Schiffbau.

50 Teilnehmer, die bei der Anmeldung schnell genug waren, um sich zu der Besichtigung der Fassmer Werft zu registrieren, erhielten zum Abschluss eine Führung mit spannenden Einblicken in die Praxis des maritimen Leichtbaus.