Spezialharz für die effiziente Herstellung von Leichtbau-Großstrukturen

Als ein weltweit führendes Unternehmen der Spezialchemie, das mit mehr als 33.000 Beschäftigten in über 100 Ländern aktiv ist, besitzt Evonik in zahlreichen, breit gefächerten Betätigungsfeldern Erfahrung und Know-how. Auch im Arbeitsfeld des maritimen Leichtbaus betätigt sich das Unternehmen aktiv und war als Konsortiumsmitglied des EU-geförderten Projekts RAMSSES substanziell an der Entwicklung eines erfolgreichen Anwendungsbeispiels beteiligt, dessen Entstehungsprozess im folgenden Best-Practice-Bericht vorgestellt wird.

Das EU-Projekt RAMSSES (www.ramsses-project.eu) lief von 2017 bis 2021 mit dem Ziel, die Anerkennung fortschrittlicher Materialien in der europäischen maritimen Industrie zu etablieren und somit einen verstärkten Einsatz dieser Stoffe im Schiffbau zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurden 13 verschiedenartige Demonstratoren für marktgerechte Anwendungsfälle entwickelt, die die Vorteile des Einsatzes innovativer Materialien im Schiffbau aufzeigen.

Die Entwicklung eines Rumpfs für große Hochseeschiffe mit mehr als 80 m Länge aus glasfaserverstärktem Kunststoff und der anschließende Bau eines derartigen Rumpfsegments zum Zweck des Testens und der Schiffsklassenzertifizierung zählen dazu.

Der Weg zur Realisierung dieses Demonstrators führte über die Entwicklung eines geeigneten Vinylester-Harzsystems, das viele, sich zum Teil widersprechende Anforderungen erfüllen musste. Durch stetige Optimierung innerhalb eines iterativen Entwicklungsprozesses sollte am Ende ein Harzsystem stehen, das sich durch seine Eigenschaften vollumfänglich zum Bau des entworfenen Rumpfsegments eignet. Der herausfordernden Aufgabe stellte sich als Expertin im Bereich der Spezialchemie die Evonik Operations GmbH, zusammen mit den Projektpartnern DAMEN Shipyards, Infracore, Airborne, TNO und Bureau Veritas.

Evonik, als eines der führenden Unternehmen der Spezialchemie auf vielen Gebieten aktiv, stellt im Leichtbau-Bereich eine Vielzahl von Rohstoffen und Werkstoffen her. Dazu gehören Spezialharze, Harzmodifikatoren, Monomere, Härter und Vernetzer, thermoplastische Spezialitäten, Spezialschäume als Kernmaterialen u.v.m.

Schwerpunkte der Aktivitäten von Evonik im Bereich Leichtbau sind das Transportwesen (Automotive, Aerospace, Railway), Energie (Wind, Wasserstoff, Geothermie, Öl), Maschinenbau, Medizintechnik, Sportgeräte sowie etliche Nischenanwendungen. Mit dieser weiten Bandbreite der Produktpalette verfügt Evonik über extensives anwendungstechnisches Know-how, mit dem Kunden bei ihren Entwicklungen vielseitig unterstützt werden können.

Zu Beginn stand die Entwicklung eines Anforderungskatalogs an das zu entwickelnde Vinylesterharz. Folgend aufgelistete Anforderungen zeigen deutlich die Vielzahl und Varietät auf, die es bei der Entwicklung zu berücksichtigen und zu vereinen galt:

  • Besonders hohe Schlagzähigkeit, sehr gute mechanische Eigenschaften, besonders gutes Ermüdungsverhalten, hydrophobes Harzsystem
  • Mechanische Kennwerte und Tg vergleichbar oder besser als Benchmark-Harz
  • Verarbeitbar unter Werftbedingungen (Fließverhalten, offene Zeit, temperaturunempfindliches System)
  • Infusionshöhen 6 – 10 m möglich (1 Shot-Infusion möglich)
  • Gut verklebbar (Fügeverfahren für die Decks)
  • Preiswertes Harzsystem
  • Breite Rohstoffbasis; global verfügbar (Benchmark basiert auf Single-Source Rohstoff eines US-Herstellers)

Besondere Herausforderungen im Entwicklungsprozess stellten die angestrebte Infusionshöhe von mehr als 6 m sowie die für die Herstellung eines Rumpfes notwendige lange Verarbeitungszeit dar. Immer größere Entwicklungsmuster wurden unter realen Bedingungen bei den Projektpartnern getestet und verarbeitet, sodass auch diese Anforderungen nach und nach erfüllt werden konnten. Jede neue Generation des Harzes übertraf den Vorgänger, bis schließlich alle Anforderungen des Leistungsheftes erfüllt waren.

Die Realisation des Endproduktes machte die Übertragung und Adaption einer bei Epoxidharzen bereits etablierten Technologie in Kombination mit einem maßgeschneiderten Molekül möglich.

Nach der großtechnischen Herstellung von mehreren Tonnen Harz wurden diese zur Herstellung eines Prüfkörpers von 8x2x2 m für einen Vierpunktbiegeversuch eingesetzt (siehe Abbildung 2). Der Prüfkörper bestand alle Tests mit Bravour und übererfüllte sogar die Anforderungen, sodass in Folge ein Rumpfsegment unter Werftbedingungen gebaut und anschließend getestet werden konnte (Abb. 3, zusätzlich findet sich hier ein Video zum Test).

Das auf diesem Wege neuentwickelte Vinylesterharz zeigt sich aufgrund seines besonderen Eigenschaftsprofils facettenreich bezüglich möglicher Anwendungsgebiete: Es eignet sich nicht nur für den Großschiffbau, sondern auch für viele andere Faserverbundanwendungen, die ebenfalls die Nachhaltigkeit industrieller Anwendungen verbessern – von Automobilbauteilen über Rohre für Geothermie oder Wickeltanks für Gase bis hin zu Holzwerkstoffen oder Verstärkungsstäbe (Rebars) statt Baustahl für die Bauindustrie.

Eine Zutat für das Erfolgsrezept eines solch gelungenen Entwicklungsprozesses ist laut Dr.Dr.-Ing. Stephan Sprenger von Evonik die Integration aller Beteiligten mit ihrer jeweiligen Expertise: „Klar ist die Erkenntnis, dass die Harzentwicklung nur durch die enge Verzahnung mit den Verarbeitern und Endanwendern, in unserem Fall mit den Projektpartnern, realisiert werden konnte. Auch für zukünftige Neuentwicklungen im Bereich Leichtbau, bei denen wir rohstoffseitig beteiligt sein werden, werden wir diese enge Verzahnung und Abstimmung anstreben.“

Evonik Operations GmbH

Dr.Dr.-Ing. Stephan Sprenger

Charlottenburger Str. 9
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